VW e-Golf - der Unscheinbare

Fahrbericht VW e-Golf 2017

Die ursprüngliche Version des e-Golf aus dem Jahr 2014 hatte eine Batterie mit 24.2 kWh Kapazität, einen Elektromotor mit 85 kW/115 PS Leistung und einer NEFZ-Reichweite von 190 km. Die realistische Reichweite betrug ca. 130 km, im Winter konnte sie allerdings auch unter 100 km sinken. Die relativ stark eingeschränkte Autonomie des ursprünglichen e-Golf war sicherlich der grösste Nachteil.

 

Seit Anfang 2017 ist der e-Golf nun in einer neuen Version erhältlich. Die Leistung des Motors wurde um etwa 20 % auf 100 kW / 136 PS erhöht. Die Batterie wuchs um fast 50 % auf neu 35.8 kWh an. Daraus resultiert eine neue NEFZ-Reichweite von 300 km. Hat sich der 2017 e-Golf durch das Facelift nun zu einem ausgewachsenen, alltagstauglichen Elektroauto gewandelt? ElektroautoCoach ist dieser Frage im folgenden Test nachgegangen.

 

Alternativen zum VW e-Golf

Falls es etwas günstiger sein sollte als der VW e-Golf, dann ist der Hyundai Ioniq Electric eine gute Alternative. Ein ausgereiftes Fahrzeug mit keinen nennenswerten Schwächen, toll ausgestattet, ab CHF 36'990.

Darf es eher ein wenig sportlicher sein? Der Opel Ampera-e hat einen kräftigen Antrieb und eine tolle Reichweite, ab CHF 41'900.


Äusseres

VW e-Golf 2017

Das Aussehen eines VW Golf dürfte allen Leuten in der westlichen Hemisphäre geläufig sein, ausser jemand hat die letzten 40 Jahre hinter dem Mond gelebt. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Golf-Versionen hat der e-Golf ein paar eigenständige Designmerkmale, die seine elektrische Herkunft verraten. Zum einen die blauen Elemente des VW e-Designs. Ein blaues Zierelement verläuft über die ganze Front des Wagens und endet in den LED Scheinwerfern. Ebenfalls anders: die LED-Tagfahrleuchten in C-Form. Auch die strömungsoptimierten 16-Zoll Felgen sind ein sichtbares Zeichen der Reichweitenoptimierung. Bei genauerer Betrachtung des Fahrzeugs aus der Nähe fällt einem auch das spezielle e-Golf Logo am Heck und auf der Seite auf.

 

Diese Unterschiede sind aber trotz allem nur marginaler Natur, schliesslich basiert der e-Golf auf derselben Plattform wie seine Verbrenner-Brüder. Positiv finden wir, dass VW darauf verzichtet hat, ein Öko-Freakmobile auf die Räder zu stellen. Der Golf sieht aus wie ein "normales" Auto und das ist gut so.

 

Innenraum

VW e-Golf Innenraum

Ein Golf ist ein Golf ist ein Golf. Das gilt natürlich auch für den Innenraum. Dieser kommt gewohnt nüchtern-konservativ daher. Die blauen Ziernähte an Lenkrad und Schalthebel agieren als Pendant zu den äusseren e-spezifischen Akzenten.

 

Die Sitze sind bequem und standardmässig mit Stoff bezogen, können aber auch mit Lederbezug bestellt werden. Das Platzangebot vorne und hinten ist für ein Fahrzeug der Kompaktklasse gut.

 

Das Cockpit ist übersichtlich aufgebaut und birgt keine allzu grossen Überraschungen. Unser Testfahrzeug war mit dem aufpreispflichtigen "Active Info Display" ausgerüstet. So bezeichnet VW die voll-digitale, 12.3 Zoll grosse Instrumentenanzeige. Während rechts ein klassischer Tacho inkl. Reichweitenanzeige dargestellt wird, zeigt das linke Rundinstrument den aktuellen Verbrauch bzw. die Rekuperation sowie den Durchschnittsverbrauch pro 100 km. Während dem Fahren wird in der Mitte typischerweise die Landkarte angezeigt.

 

Navi VW e-Golf

In der Mitte des Armaturenbretts befindet sich das Infotainment-System "Discover Pro". Dieser 9.2 Zoll grosse Touchscreen ist relativ einfach zu bedienen und überzeugt durch eine gute Auflösung. Die Bedienung kann auch über Gestensteuerung erfolgen. So kann beispielsweise die Seiten im Hauptmenü gewechselt werden, indem man mit der Hand vor dem Bildschirm von rechts nach links fährt. Bei unserer Testfahrt funktionierte dies allerdings nicht immer hundertprozentig zuverlässig und konnte uns deshalb nicht restlos überzeugen. Aber vielleicht sind wir auch einfach nur schlechte Pantomimen, das ist natürlich auch möglich.

 

Das Navi vermochte ebenfalls zu überzeugen, nur die Rückfahrkamera liefert ein ziemlich dürftiges Bild, das deutlich von der ansonsten guten und scharfen Bildschirmdarstellung abweicht. Die verschiedenen Seiten des Discover Pro haben weisse Schrift auf einem dunklen Hintergrund. Dies spart Strom und sieht auch elegant aus. Leider ist der Bildschirm aber auch ein richtiger Fingerabdruck-Magnet. Vor allem wenn mal die Sonne auf das Display scheint, kommen die Fingerabdrücke überdeutlich zum Vorschein.

 

Das Interieur ist gut verarbeitet und verschiedene Ablageflächen und Staumöglichkeiten in den Türen sowie in der Mittelkonsole bieten Getränken und sonstigem Krimskrams ein Zuhause.

 

Fahrverhalten

VW e-Golf Fahrverhalten

Der e-Golf fährt sich sehr gut, typisch Golf eben. Die Federung ist komfortabel, ausser die Bodenunebenheiten werden grösser, dann machen sich das Gewicht und die leicht kleinere Bodenfreiheit des e-Golf negativ bemerkbar. Positiv für das ziemlich ausgewogene Fahrverhalten ist der Verzicht auf spezielle Leichtlaufreifen.

 

Zusätzlich profitiert das Fahrzeug vom tiefen Schwerpunkt durch das im Fahrzeugboden eingelassene Batteriepack. Ebenfalls toll gemacht ist die Geräuschdämmung, die ein sehr leises Fahren auch bei höheren Tempi ermöglicht.

 

 

 

 

 

 

VW e-Golf digitale Instrumentananzeige

Die Beschleunigung ist recht sportlich. Natürlich nicht auf dem Niveau eines BMW i3, geschweige denn eines Tesla, aber gerade in der Stadt meistert der 100 kW / 136 PS starke Elektromotor den Ampelsprint souverän und lässt einem immer locker im Verkehr mithalten.

 

Für den Sprint auf 100 km/h benötigt der e-Golf 9.6 Sekunden. Lediglich auf der Autobahn gelingen die Überholmanöver nicht mehr ganz so souverän wie bei tieferen Geschwindigkeiten und bei 150 km/h ist fertig lustig. Dieses Limit wurde festgelegt aufgrund des überproportional zunehmenden Energieverbrauchs bei so hohen Geschwindigkeiten. Damit kann man aber unserer Meinung nach gut leben. Speziell in der Schweiz wird ein Autobahntempo von 150 km/h schon ziemlich teuer.

 

Der Ganghebel bietet zwei verschiedene Modi fürs Vorwärtsfahren. Im "D" verhält er sich wie ein herkömmlicher Automat und das Fahrzeug segelt beim Gaswegnehmen praktisch unvermindert weiter. In der Stufe "B" steht die volle Rekuperation zur Verfügung und der e-Golf wird zusehends langsamer, wie man sich's wünscht.

 

 

Reichweite

Reichweite VW e-Golf

Der ursprüngliche e-Golf mit der "kleinen" Batterie hatte eine NEFZ-Reichweite von lediglich 190 km vorzuweisen. Damit musste haushälterisch umgegangen werden, speziell im Winter, wenn die Reichweite unter 100 km fiel. Mit dem 2017er e-Golf stromert man immerhin 300 km weit. Zumindest gemäss NEFZ-Zyklus.

 

Im Alltag dürfte die realistische Reichweite ungefähr 220 km betragen. Im Winter liegen vermutlich noch etwa 150 km drin. Wer etwa in den Bergen daheim ist, wo die Winter noch strenger sind als im Flachland, ist unter Umständen mit der optional erhältlichen Wärmepumpe gut beraten. Sie heizt den Innenraum des e-Golf effizienter auf als die herkömmliche Heizung, was wiederum der Reichweite zugute kommt.

 

 

 

 

Aufladen

Auföade VW e-Golf

Die Ladeklappe des e-Golf befindet sich hinten rechts und ist äusserlich identisch mit den herkömmlichen Golf-Versionen.

 

Dahinter kommt ein CCS Anschluss zum Vorschein, der für unterwegs Gleichstromladen mit 40 kW ermöglicht. Die Schnellladung von 0 bis 80 % schafft der e-Golf in 45 min. Dies ist ein wenig schade, denn die allermeisten CCS-Ladestationen bieten heute schon Ladeleistungen von 50 kW an.

 

Nutzt man nur den oberen Teil des CCS Anschlusses als Typ 2 Verbindung für das Wechselstromladen, kann die Batterie maximal 2-phasig mit 7.2 kW gespiesen werden. Damit dauert eine Vollladung etwa 4 Stunden.

 

 

 

 

 

Kofferraum

VW e-Golf Kofferraum

Der 305 l fassende Kofferraum des e-Golf ist kein Ladewunder, aber für seine Kategorie absolut ok. Hebt man den Kofferraumboden hoch, kommt darunter ein ganzflächiges, aber ziemlich flaches Abteil hervor, das jedoch genug Platz für die Ladekabel bietet. Konstruktionsbedingt kann das Abteil nicht tiefer bauen, da sich direkt darunter die Traktionsbatterie befindet. Die Ladekante ist nicht zu hoch und die Kofferraumklappe ziemlich breit, was das Verladen grösserer Gegenstände vereinfacht.

 

Die Rücksitze können im Verhältnis 40 / 60 umgeklappt werden. Positiv fällt die separat zu öffnende Durchreiche in der Mitte auf. Die Rücklehne des Mittelsitzes kann nämlich als Skidurchreiche agieren, klappt man hingegen nur den inneren Teil herunter, ergibt sich daraus eine Armauflage inklusive Getränkehalter.

 

 

Preise

Preise VW e-Golf

Der e-Golf startet mit einem Preis von CHF 40'200. Auf die üblichen Ausstattungslinien Trendline, Comfortline und Highline verzichtet VW beim e-Golf.

 

Es gibt ihn nur in einer Ausführung, die dafür standardmässig mit diversen Schmankerln daherkommt. Da wäre das Infotainmentsystem Discover Pro zu erwähnen, aber auch die LED Scheinwerfer sowie die automatische Distanzregelung ACC mit Front Assist, etc.

 

Trotzdem lässt sich der Preis, wie es sich für einen deutschen Hersteller gehört, mit diversen Extras anständig in die Höhe treiben. Die Wärmepumpe beispielsweise schlägt mit CHF 1000 zu Buche, die Ledersitze mit CHF 2'700, usw. So kann es passieren, dass der e-Golf schnell mal an der 50'000er Grenze kratzt. Fürwahr ein stolze Summe.

 

 

Fazit

VW e-Golf Compliance Car

Der VW Golf, der nun in der 7. Generation seit über 40 Jahren über unsere Strassen rollt, hat sich einen festen Platz in der Automobilhistorie gesichert. Er hat sogar ein eigenes Segment definiert, denn die Kompaktklasse wird häufig auch Golfklasse genannt. Ein ähnliche prominentes Ranking in den Automobil-Annalen wird dem e-Golf kaum zuteil. Zumindest nicht in der aktuell erhältlichen Ausführung.

 

Die Reichweite ist für den Pendleralltag ausreichend, aber für weitere Distanzen eignet sich der e-Golf aufgrund seiner verminderten Ladegeschwindigkeit nicht bzw. nur sehr bedingt. Sowohl beim Gleichstrom- wie auch beim Wechselstromladen spielt die Musik heute bereits in einer anderen Liga. Und die Ladekapazitäten werden zunehmend grösser, so dass das diesbezügliche Handicap des e-Golf ebenfalls zunehmend grösser wird.

 

Auch vom Preis her kann man den e-Golf nicht als Schnäppchen bezeichnen. Da gibt's bei anderen Herstellern mehr Auto für weniger Geld. Auch hier merkt man leider, dass der e-Golf lediglich ein Compliance Car ist und VW ihn nicht massenhaft unter die Leute bringen will, sondern primär in den Märkten verkauft, wo sie keine andere Wahl haben, damit sie weiterhin auch ihre Verbrenner-Modelle verkaufen können.

 

Der e-Golf ist eigentlich kein schlechtes Elektroauto. Aber die konzeptionellen Schwächen wie Reichweite und Ladekapazität, kombiniert mit dem relativ hohen Preis, machen das Auto nicht gerade zum must-have. So bleibt unter dem Strich nur die Feststellung, dass dem äusserlich unscheinbaren e-Golf leider auch unscheinbare innere Werte zugrunde liegen. Sollte es VW Ernst meinen mit der Wandlung vom Dieselgate-Saulus zum Elektro-Paulus, müssen die Wolfsburger noch ein paar Hausaufgaben erledigen.

 

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